Plissee - ein ambivalentes Thema. Ich war baff erstaunt, als Lucy es zum Thema der Stoffspielerei wählte, kann man doch nur mit fremder Hilfe Plissee erzeugen. (obwohl inzwischen jede eng gelegte Falte so benamt wird) Es kommt alle Jahr mal wieder, aber es gibt weniges, was ich wirklich begeisterungswürdig finde. Man unterscheidet zwischen gewebtem Plissee, Wirkplissee, Strickplisse und dem chemisch-technischen Plissee.
Ein historischer Ausflug gehört bei diesem Thema unbedingt dazu.
Als ich Schulkind war, hatte wohl jede Frau einen Plisserock im Schrank. Das war so ein ganz braver Klassiker. Frau Mama trug einen mit buntem Karo, das war schon besonders. Plisseebrennereien gibt es nur noch sehr wenige. Man konnte einen Stoff gesäumt (sehr wichtig) dorthin bringen und sich Falten brennen lassen.
Hier praktiziert Familie Gießmann aus Berlin das noch. Es gibt Liege-oder Stehplisse und natürlich verschiedene Tiefen.Und natürlich Sonnenplissee. Für jede Sorte eine ziemlich große gefaltete Pappschablone, in die der Stoff eingelegt wurde. Ein richtiges Handwerk ist/war das. Das Entscheidende ist eigentlich der synthetische Anteil im Stoff, damit die Falten dauerhaft bleiben. Hier gibt es einen kleinen Film mit Werkstatteinblick.
Albrecht Dürer
" Nürnberger Frau beim Kirchgang" ungarische Tracht Palóc
Aber auch schon vor der Erfindung der chemischen Faser fand man an eng gefaltetem Stoff gefallen, die Üppigkeit stellte einen besonderes Reiz dar. Zwei Postkarten. Auch in Trachten kommt so etwas schon in Baumwolle vor. Eng gelegt und im Backofen mit heißem Brotteig (!) fixiert, hat man solche Röcke geschaffen. Die Stoffmenge ist gigantisch. Festtagskleidung wurde geschont und in Truhen gelagert, so konnten sich diese Falten erhalten. Mit Berührung von Wasser, wären sie schnell verschwunden.
In den 20er Jahren fiel das spanische Universal-Genie Mariano Fortuny (1871 -1949) mit wunderbar körperumspielenden Kleidern auf. (er war auch Bildhauer, Maler, Erfinder, Designer etc) Seine Modelle sind exquisite Exponate in Modesammlungen von Museen. Sie waren aus reiner Seide und wurden anfangs nur von wenigen mutigen Frauen, oft Tänzerinnen getragen, denn viel Unterkleidung vertrug sich nicht mit der Silhouette. Er hat ein geheimes Verfahren entwickelt, bei dem seine selbstgefärbten Seiden fast permanent die feinen Falten behält und hat bis 1949 diese wundervollen Kleider gerarbeitet.
Die Seiten wurden oft mit Glasperlen aus Venedig verziert, in deren Nähe er seine Werkstatt hatte (hier und hier auch gut zu sehen ) Sie waren als Schmuck und wohl auch als Gewicht, um die Körperlinie zu unterstreichen. Die Plissierten Teile sind oft durch Schnürungen oder Perlen beweglich verbunden. ich nehme an, er wollte verhindern, das Nähte die Beweglichkeit des Stoffes behindern.
Das Detailfoto oben stammt von Augusta auctions, einem NY er Auktionshaus, die sich nur um Kleidung kümmert, der blanke Wahnsinn für Mode- und Textilfreaks! (der link führ euch direkt zum Katalog von 2016)
The Metropolitan Museum of Art New York
Fortunys Kleider wurden gewickelt und in Hutschachteln aufbewahrt. Erinnert ein wenig an die Krinklewelle, bei der man feucht verdreht Blusen und Röcke zum Trocknen lagern sollte, um die Knitterfalten wieder schön hinzubekommen.
Solch ein Kleid mal auf der Haut tragen, wäre schon mal ein lohnenswerter Traum.
In dem FAZ- Artikel kann man nachlesen, was aus der Werkstatt inzwischen geworden ist .
Ob man Schottenröcke zum Plissee zählen darf, obwohl es ja klassisch eher ein Wollstoff ist, dem man Falten einbügelt hat, weiß ich nicht.
Als Zierbesatz kam Plissee auch immer mal wieder zum Einatz, als Jabots, Ärmelrüsche und Schaltuch.
Auch als Bolereo und Schmuckrosetten -
Auch ich habe schon einen Plisserock kurzzeitig getragen. Metallic und fast bodenlang, ein runtergesetztes Teil. Ich fand das damals ziemlich raffiniert und zog es Silvester an, bis die kleine Tochter meinte: " Mama du siehst aus, als wenn du in einer Blechtonne stehst!". Tja, seit diesem Zeitpunkt hatte ich kein ungetrübtes Verhältnis mehr zum Blechbüchsenrock.
Es sah ungefähr wie hier der rechte Rock aus, nur silbern, aber bereits Anfang der 90er, nicht 2015.
Ein Rest Plissee ist die Basis für ein futuristische Vase à la Fortuny. Vier Linien quer zum Plissee werden auf Gummi genäht und zum Schlauch geschlossen, schon kann man jeder Flasche oder Vase ein neues ungewöhnliches Kleid verpassen. Unendlich viele Möglichkeiten ergeben sich durch zupfen und verschieben der Gummis.
Die Ausleuchtung von schwarz ist wirklich nicht leicht.Seltsamerweises sieht ein Fotos aus , als wären gar keine Falten vorhanden. Das ist mir aber erst hier aufgefallen.
Die monatliche Stoffspielerei ist eine Aktion für textile Experimente. Sie ist offen für alle, die mit Stoff und Fäden etwas Neues probieren möchten. Der Termin soll Ansporn sein, das monatlich vorgegebene Thema soll inspirieren. Jeden letzten Sonntag im Monat sammeln wir die Links mit den neuen Werken – auch misslungene Versuche sind gern gesehen, zwecks Erfahrungsaustausch.
Heute sammelt Frau Nahtzugabe alle links und das nächste Thema : "Schrift im/auf Textil "im Mai gibt es hier
Hallo Karen,
AntwortenLöschenhier in Köln gibt es noch eine Fachfirma, wenn Du mal schauen möchtest:
http://www.plissee-becker.de/de/
Viele Grüsse,
Angela Liane Wagner
Oh, die Vase finde ich auch toll! Auf die Idee, so etwas beweglich zu gestalten, bin ich gar nicht gekommen, zu sehr an Kleidung verhaftet...
AntwortenLöschenÜber Fortuny bin ich bei den Recherchen (die leider kein Ergebnis bei mir brachten, sprich, ich habe nichts produziert, nur gelesen...bis jetzt) auch gestolpert, offensichtlich ist sein "Geheimnis" des Plissierens von Seide bis heute nicht wirklich gelüftet. Spannend! Es wird vermutet, dass auch er mit Fäden u. Nähten und nicht nur mit Dampf (und Chemie?) gearbeitet hat und dass die Perlen womöglich auch eine Rolle dabei spielen, dass die Falten schön "fallen" und nicht so schnell aufspringen. Allerdings mussten die Kleidungsstücke auch immer wieder zur Pflege zum Meister zurückgebracht werden, also auch kein dauerhaftes Plisse wie bei Polyester.
Hach, die Bilder sind toll, ich werde mich nachher mal mit dem Auktionshaus beschäftigen :)
Das mit dem Brotteig kannte ich noch nicht. Kreative Menschheit!
Ich finde Plisseeröcke toll, nur leider nicht (mehr) an mir. Hatte mal so ein 80er Jahre - Teil in schwarz-weiß gepunktet, Vollplastik natürlich...
LG frifris
Ein toller Post, der nicht nur so informativ ist sondern auch Erinnerungen weckt. Ich mag kein akkurates Plissee, dafür aber das das wie zufällig wirkende umso mehr. Auch mir fiel sofort der Plissee-Becker hier in Köln ein. Ob der mir auch so einen Stoff für eine Vase machen kann? Die finde ich nämlich phantastisch!
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Christine
Tolle Idee, so ein variables Vasenkleid! Und dafür ein kleines Stück Stoff selbst zu plissieren wäre durchaus machbar. es freut mich, dass du die Herausforderung dieses ziemlich sperrigen Themas angenommen hast. Die Plisseeröcke von früher mag ich auch nicht besonders, wobei die hier von den unter-25-jährigen teils wieder getragen werden - oft auch noch in Omafarben, beige (heißt ja jetzt "nude") und hellgrau und so. Einen langen Plisseerock aus Metallicstoff stelle ich mir - Blechdose hin oder her - hingegen ganz interessant vor.
AntwortenLöschenDie Fortuny-Kleider sind fantastisch und deine Vase ebenso. Und danke für soviel toll recherchierte Textilgeschichte. Eine Freude zu lesen. Du hast jetzt tatsächlich auch die Erinnerung an meinen dunkelblauen Plisseerock geweckt, den ich als Kind tragen musste. Ich fand ihn furchtbar und habe so gut es ging vermieden ihn anzuziehen. Er hatte auch einen ganz penetranten Geruch. Ich hatte diesen ungeliebten Rock völlig vergessen... Lieben Gruß Ghislana
AntwortenLöschenWas für eine Vase! Ich finde sie genial, auch wenn sie bei mir nicht passen würde. Aber vielleicht macht es gerade das an diesem Unikat so aus! Danke auch für die zahlreichen Einblicke. Leider habe ich es diesen Monat nicht geschafft, mitzumachen, aber nächsten Monat bin ich mit Text und Stoff definitiv dabei :-)
AntwortenLöschenLg. Susanne
Bitte gern immer ganz viele historische Ausfluge! Diesmal hatte ich nicht groß recherchiert, daher sauge ich die ganzen schön beschriebenen Hintergrundinformationen besonders auf. Der Vasenüberzug ist eine gute Idee, viel Freude damit!
AntwortenLöschenLiebe Karen, danke für den Film über die Plissieranstalt! Ich habe inzwischen herausgefunden, dass wir anscheinend auch in Graz noch ein Firma haben, die noch plissiert. Der muss ich unbedingt demnächst einen Besuch abstatten. Darauf wäre ich ohne Stoffspielereien nie gekommen! Ich überlege gerade, ob es aber nicht auch einen Versuch Wert wäre, solche Plisseeformen aus etwas stärkerem Karton selbst zu falten und das mal selbst auszuprobieren... Vielleicht komme ich ja doch noch zu selbst gemachten Schuppenfalten, wer weiß. Liebe Grüße, Gabi
AntwortenLöschenso ein interessanter post!! ich habe mir noch nie gedanken um plissee gemacht und wie die falten da hineinkommen. das letztemal hatte ich einen karoplisseerock als kind und den mochte ich gar nicht. wunderschön hingegen die seidenen fortuny-kleider, sie sind bestimmt wie ein hauch auf der haut! deine schwarzen vasen finde ich sehr toll, sie sehen so üppig aus und könnten gut calla oder protea tragen. auch deine federtulpe sieht wunderschön darin aus. verrückt hingegen falten mit heißem brotteig zu fertigen!!
AntwortenLöschenliebe grüße von mano
Liebe Karen,
AntwortenLöschenDeine Bilder gefallen mir. Tolle Kleider (fü schlanke Frauen), aber auch die Tracht.
Die Vasenidee ist sicher sehr variantenreich - ich habe ja noch jede Mende Plisseestoff.
Liebe Grüße
Ines
Tolles Vasenkleid und so viele Infos zu Plisse. Das Thema hatte mich gar nicht so angesprochen, aber hier sieht man so viele Variationen, die auch noch wunderschön sind und Plisse mal anders darstellen. Vielen Dank!!!
AntwortenLöschenLG Ute